Fünf vor zwölf für alte Turmuhr

Veröffentlicht am: 13. Oktober 2023
David Stahr, Kai Großmann, Tino Seibel, Ysayah Fynn Gröscher und Carolina Reuther (v. l. n. r.) mit der Turmuhr.

David Stahr, Kai Großmann, Tino Seibel, Ysayah Fynn Gröscher und Carolina Reuther (v. l. n. r.) mit der Turmuhr.

Burgstädt - Als der Handschuh-, Strumpf- und Wirkwarenfabrikant C. Hugo Eidner im Jahr 1890 in Burgstädt den Stammsitz für sein sechs Standorte umfassendes Firmenimperium erbauen ließ, konnte er nicht ahnen, dass sich 133 Jahre später auch Jugendliche für sein bauliches Erbe begeistern würden, und dass ein Handwerker wegen einer Uhr zum Detektiv wird. Aber der Reihe nach: Bei der Errichtung seiner Fabrik sowie der in unmittelbarer Nähe befindlichen Villa zeigte Eidner nicht nur, dass er ein wohlhabender Mann war, sondern auch ein ästhetisches Gespür für moderne Architektur besaß. So zieren die Fassade des markanten Gebäudes an der Chemnitzer Straße noch heute zahlreiche figürliche Abbildungen. Außerdem besitzt das Hauptgebäude einen weithin sichtbaren hohen Turm.

Abendelange Recherche nach Ersatzteilen

Als die Don Bosco Jugend-Werk Sachsen gGmbH das Haus kurz nach der Wende übernahm und zu einer Bildungseinrichtung umbaute, hatte die Immobilie ihre beste Zeit schon lange hinter sich. Die Fassade war rußgeschwärzt, die Fenster kaputt, und in das Dach regnete es hinein. In den letzten Jahren der DDR war das Anwesen Produktionsstätte für Textilien gewesen und wie die meisten anderen in einem erbarmungswürdigen baulichen Zustand. Es bedurfte einer gewaltigen Anstrengung, bis das Haus ab 1993 aus dem Dornröschenschlaf erwachte. Nun erstrahlte das Bauwerk im alten Glanz, und es zog wieder Leben in seine Mauern ein.

Einzig die Zeiger der alten Turmuhr mit insgesamt drei Zifferblättern standen wegen eines technischen Defekts immer an derselben Stelle. Für deren Restauration war kein Geld vorhanden. Viele Jahre später hörte Don Bosco Elektromeister David Stahr von dem Wunsch vieler Einheimischer und Mitarbeiter, das alte Chronometer zu neuem Leben zu erwecken. Abendelang recherchierte er im Internet nach Ersatzteilen für die historische Uhr und wurde bei einem Uhrmachermeister aus Berlin fündig. Dieser hatte eine typengleiche Uhr in Prag erworben und konnte helfen. „Das war ein richtiger Glücksfall“, ist Stahr begeistert. Inzwischen steht er als Ausbilder mit vier seiner Lehrlinge in luftiger Höhe und zerlegt die historische Uhr in sämtliche Einzelteile. Besondere Vorsicht lassen sie bei den einen Meter im Durchmesser großen Zifferblättern walten. „Diese sind aus Glas und ganz schön schwer.“, erzählt Kai Großmann. Er absolviert, wie auch Tino Seibel, Ysayah Fynn Gröscher und Carolina Reuther, derzeit bei Don Bosco Sachsen eine Ausbildung im Bereich Elektrotechnik.

Moderne Technik in historischem Gehäuse

„Wir machen die Elektroinstallation komplett neu und montieren außerdem eine sehr energiesparsame Beleuchtung, damit man die Uhr in den Abend- und Nachstunden auch aus der Ferne gut sehen kann.“, sind die Jugendlichen begeistert. Außerdem werden die Maler und Lackierer der Einrichtung die Zifferblätter farblich auffrischen. Dass das mit der Uhr ein ganz besonderer Ausbildungsauftrag ist, wurde allen Akteuren sehr schnell bewusst. „Es ist schon cool, später einmal den eigenen Kindern erzählen zu können, dass man hier mitgearbeitet hat“, freuen sich die jungen Menschen.

Die Restauration der Turmuhr erfolgt durch Fördermittel aus dem Bund-Länder Programm „Städtebauliche Erneuerung“.

Text und Foto: Sebastian Schmidt