Erfahrungen in der Arbeit mit schwer erreichbaren jungen Menschen

Veröffentlicht am: 27. Oktober 2021

Die Salesianer Don Boscos arbeiten in mittlerweile sieben Einrichtungen in Deutschland (Berlin, Nürnberg, Köln, Chemnitz, Bamberg, Trier (in Planung) und Regensburg) mit der Zielgruppe schwer erreichbarer junger Menschen. 

Einrichtungs- und Projektleiter berichten von ihren Zielen, Erfolgen und Rückschlägen:

Emil Hartmann, Gesamtleiter des Don Bosco Jugendwerks Bamberg:

„Es gibt keine schwierigen Jugendlichen. Davon sind wir überzeugt. Aber es gibt junge Menschen, die aus verschiedensten Gründen in schwierige Situationen geraten, mit denen sie nicht zurechtkommen. Egal, ob sie von der Schule geflogen sind oder ob sie auf der Straße leben. Und ganz egal, warum. Diese Jugendlichen haben es immer verdient und sie haben ein Recht darauf, dass wir uns um sie bemühen.

Es steckt viel in ihnen und sie alle haben Stärken. An diesen setzen wir an. Das gilt in unserem Zirkus Giovanni ebenso wie für unsere Flex Fernschule, eine Schule für Schulverweigerer, und beim Projekt Zahltag. Da unterschreiben die Jugendlichen jeweils für einen Tag einen „Arbeitsvertrag“ und verdienen sich ein Taschengeld. Die Schwelle ist so niedrig wie möglich.

Manche kommen nur einmal, aber andere kommen regelmäßig, wie zum Beispiel Johannes*. Nach Problemen in seiner Adoptivfamilie führte sein Weg über diverse Wohngruppen, Klinikaufenthalte und auch Jugendarrest und Drogenentzug mit 21 Jahren zum Projekt Zahltag. Über das Projekt konnten wir eine gute Verbindung zu Johannes aufbauen. Das führte soweit, dass er im Herbst nach dem Beziehen einer eigenen Wohnung und einigen kleineren Hilfsjobs schließlich eine Ausbildung begonnen hat.

Wir nehmen Jugendliche, die sich wie Johannes in schwierigen Situationen befinden, bedingungslos an. Wir unterstützen sie dabei, ihre individuellen Stärken zu erkennen und den Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu gehen. Dafür engagieren wir uns jeden Tag.

* Name geändert

Website:
www.donboscobamberg.de

Kontakt:
info[at]donboscobamberg.de

Erik Mohring, stellvertretender Einrichtungsleiter der Manege Berlin:

„Egal welche Jugendlichen mit einem Problem zu uns kommen: In der Manege Berlin haben wir das passende Angebot für sie. In unserem Haus sind an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr Ansprechpartner vor Ort. Denn Probleme ergeben sich nicht nur zwischen 9 und 17 Uhr.

Wir erreichen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen meist, weil uns das Jobcenter auf ihre Situation hinweist. Telefonisch oder durch einen Besuch an der Haustür machen wir auf unser Angebot aufmerksam und bieten Unterstützung an. Das reicht von psychologischer Betreuung und Beratung bis hin zum Angebot eines sicheren Schlafplatzes oder regelmäßiger Mahlzeiten. Die allermeisten nehmen das sehr gerne an – mal sofort, mal auch erst nach einigen Tagen oder Wochen Bedenkzeit. Häufig gelingt es uns, eine gute Beziehung aufzubauen.

Als wir Alex* kennenlernten, hatte er wegen Panikattacken und Angst vor sozialen Kontakten seine Wohnung über mehrere Wochen nicht verlassen. Wir haben ihn besucht, Nummern ausgetauscht und hatten dann immer wieder schriftlich Kontakt über einen Messengerdienst. Zusammen mit uns hat er es geschafft, seine Ängste soweit im Griff zu haben, dass er nicht nur seine Wohnung mehr und mehr verlassen und an Angeboten bei uns in der Manege teilgenommen hat, sondern schließlich auch eine Ausbildung begann.

Wenn Jugendliche wie er aus eigenem Antrieb den nächsten für sie selbst möglichen Schritt hin zu einer besseren Integration in die Gesellschaft schaffen, ist das ein großer Erfolg. Und häufig bleibt es nicht bei diesem einen Schritt.“

* Name geändert

Website:
www.manege-berlin.de

Kontakt:
info[at]manege-berlin.de

Lisa Kernke, Projektkoordination „Startklar in die Zukunft“:

„Bei uns im Don Bosco Haus Chemnitz bekommt jeder eine neue Chance. Mit der Aktivierungshilfe „Startklar in die Zukunft“ setzen wir da an, wo andere Maßnahmen zur Eingliederung von jungen Menschen in den Arbeitsmarkt nicht mehr greifen. Wer zu uns kommt, ist weder reif für eine Ausbildung noch für einen Beruf. Die Hintergründe sind sehr individuell. Probleme in der eigenen Familie kommen ebenso vor wie psychische Probleme oder Sucht.

Unser Ziel ist es, die jungen Männer und Frauen innerhalb von zwei Jahren für das Leben fit zu machen. Erfolg bei uns ist vielfältig. Das kann der Beginn einer Therapie, das Bearbeiten der eigenen Post, die Pflege des eigenen Wohnraums oder auch das Finden einer beruflichen Perspektive sein.  Jeder Schritt hin zu einem selbstbestimmten Leben ist ein großer Erfolg. Mit täglichen Angeboten, eingebettet in einen festen Tagesablauf, stärken wir vorhandene Fähigkeiten der jungen Menschen und geben Techniken für die Bewältigung klassischer Alltagsaufgaben wie Essensversorgung und Haushalt an die Hand. Durch die regelmäßige Teilnahme hat beispielsweise der 26-jährige Marcel* es nicht nur geschafft, seinen Alltag zu strukturieren, sondern auch einen Berufswunsch entwickelt. Aktuell macht er ein Praktikum in der Jugendarbeit. Anschließend will er ein Freiwilliges Soziales Jahr oder eine Ausbildung in diesem Bereich machen, wobei wir ihn unterstützen.

Aber auch wenn manche Menschen, die zu uns kommen, es nicht ins Berufsleben schaffen und manchmal auch persönliche Rückschläge erleiden: Jeder Fortschritt verdient Anerkennung.“

* Name geändert

Website:
www.dbh-chemnitz.de

Kontakt:
mail[at]dbh-chemnitz.de

Matthias Marienfeld, Einrichtungsleiter des Don-Bosco-Club Köln und Projektleiter Work4You:

„Wer zu uns ins Projekt WORK4YOU im Don-Bosco-Club Köln kommt, hat trotz seines jungen Alters einen schwierigen und meist langen Weg hinter sich. Zerrüttete Familienverhältnisse, Drogenkonsum und psychische Erkrankungen begegnen uns häufig.

So vielfältig wie ihre Probleme sind auch die Ziele, die wir mit den jungen Menschen anpeilen. Primär möchten wir, dass sich ihre Situation verbessert und sie wieder Lust haben in unserer Gesellschaft mitzumachen. Doch auf dem Weg dorthin gibt es viele kleine Schritte. Unter anderem unterstützen wir mit Notschlafplätzen und helfen bei der Wohnungssuche, die in Köln oft gerade für junge Menschen sehr schwierig ist. In täglichen Angeboten bieten wir außerdem die Möglichkeit, verschiedene Berufe kennenzulernen und den Tag sinnvoll zu gestalten. Und wir arbeiten teils auch mit Unterstützung von Partnern an vielen individuellen Problemen wie gesundheitlichen Einschränkungen oder psychischen Erkrankungen.

Mit 18 Jahren kam Lena* gemeinsam mit ihrem Freund Tom* zu uns. Beide gingen damals noch zur Schule. Sie wussten schon, wo sie im Leben hinwollten. Aber weil die Beziehung zu großen Konflikten mit den Eltern führte, hatten sie keine Wohnung und wussten nicht weiter. Wir halfen bei der Wohnungssuche, sodass beide schnell mit der Schule weitermachten und unterstützten sie auch nach dem Abschluss. Lena machte eine Schauspielausbildung, Tom fand eine Arbeit. Lena hat uns kürzlich besucht und erzählt, wie wichtig das Projekt für sie in dieser Zeit war. WORK4YOU war für sie die Basis, um ihr Leben neu sortieren zu können.

Die allermeisten Fälle sind leider deutlich problematischer und langwieriger. Immer wieder gibt es Berg und Talfahrten. Aber gerade auch, wenn es eine Zeit lang nicht so gut läuft, können die jungen Leute zu uns kommen und wir helfen.“

* Name geändert

Website:
www.don-bosco-club.de

Kontakt:
info[at]work4you.koeln

Stefan Müller, Einrichtungsleiter des Don Bosco Jugendwerks Nürnberg:

„Auf der Straße sind junge Menschen auf sich allein gestellt. Das ist ein echt krasses Leben. Sie können nur überleben, wenn sie auf sich selbst bezogen sind. Das macht es so schwer, zu entkoppelten Jugendlichen und jungen Erwachsenen Vertrauen aufzubauen und diese Beziehung auch zu halten.

Häufig ist die erste Anlaufstelle bei uns der Beratungsbus, mit dem wir vor der Nürnberger Bewährungshilfe oder an sozialen Brennpunkten stehen und direkt vor Ort Unterstützung anbieten. Oder der offene Tagestreff. In der Anfangszeit können wir aber nicht erwarten, dass die Leute dauerhaft zu uns kommen. Viele kommen nur ab und an. Mit der Zeit festigt sich der Hafen aber häufig, sie kommen öfter und regelmäßiger, bleiben länger und arbeiten vielleicht auch mal in einem unserer Angebote mit.

So ging es auch Lukas*. Als wir ihn im offenen Tagestreff kennenlernten, war er obdachlos. Nach und nach hat er dort Fuß gefasst und Bezugspersonen gefunden. Später bekam er ein Pensionszimmer in unserem Projekt Schrittmacher, machte ein Praktikum in einem Kinderhort und macht nun eine Ausbildung zum Kinderpfleger.

Nicht alle sind wie Lukas. Aber vielleicht kommt auch für diese jungen Menschen irgendwann der Zeitpunkt, an dem sie wirklich mal mehr wollen. Dann sind wir da.“

* Name geändert

Website:
www.don-bosco-nuernberg.de

Kontakt:
verwaltung[at]don-bosco-nuernberg.de

Thomas Zintl, Einrichtungsleiter des Don Bosco Zentrums Regensburg: 

„Jeder Tag, den ein Jugendlicher bei uns ist, kann hilfreich sein. Meist kommen sie im Alter von 16 oder 17 Jahren zu uns in die „Offene stationäre Jugendhilfe“. Was nach einem Widerspruch klingt, ist unser Weg, mit vom System schwer enttäuschten und benachteiligten Jugendlichen eine Perspektive zu entwickeln.

Die jungen Menschen, die zu uns kommen, haben meist ein negatives Selbstbild, das sich durch immer wiederkehrende Ablehnung verfestigt hat. Häufig waren sie schon in jungem Alter viel auf sich alleine gestellt und hatten mit existenziellen Problemen zu kämpfen: Ist morgens Essen im Kühlschrank? Was passiert, wenn ich nachhause komme? Hilfsangebote empfinden sie meist als manipulativ.

Diese Jugendlichen lernen oft nur durch eigene Erfahrungen und weniger über Belehrungen oder Tipps von pädagogischen Fachkräften. Durch eine höfliche, faire und transparente Umgebung schaffen wir einen Rahmen, in dem sie sich entfalten und durch eigene Erkenntnis Verhaltensweisen anpassen können, die ihnen und anderen helfen oder schaden. Dabei geht es uns darum, was der junge Mensch braucht, um in dieser Gesellschaft zurechtzukommen. Der oder die Jugendliche steht im Mittelpunkt.

Mit 15 Jahren kam Paul* zu uns. Eigentlich sollte er in therapeutische Einrichtungen. Doch er konnte mit den dort vorgegebenen starren Regelsystemen nicht umgehen. Im offenen Rahmen der Jugendhilfe im Don Bosco Zentrum Regensburg legte er nach und nach seinen Widerstand gegen Hilfsangebote ab. Noch heute haben wir eine gute Verbindung zu Paul, der später eine Ausbildung machte und heute als Abteilungsleiter arbeitet.

Pauls Beispiel zeigt: Wir müssen diesen jungen Menschen keine Fähigkeiten beibringen. Wir müssen ihnen den Raum geben, einen Sinn für sich und Ihre Lebenssituation in Veränderung zu entdecken.“

* Name geändert

Website:
www.donbosco-regensburg.info

Kontakt:
verwaltung[at]donbosco-regensburg.info

Kontakt

Sie möchten weitere Informationen zu unserer Arbeit mit schwer erreichbaren jungen Menschen erhalten oder haben Fragen an uns?

Ihre Ansprechpartner:

Achim Jägers
Referent Einrichtungen
Tel. +49 (0)89 / 48008-475
jaegers[at]donbosco.de

Katharina Hennecke
Referentin Öffentlichkeitsarbeit
Tel. +49 (0)89 / 48008-360
pressestelle[at]donbosco.de