Don Bosco Volunteers – Chancen und Risiken von Nähe und Distanz kennenlernen

Veröffentlicht am: 1. September 2019

Auf dem großen Flipchartpapier an der Wand balanciert ein Strichmännchen zwischen zwei Begriffspaaren: Nähe und Distanz. Es ist der dritte Tag des letzten Vorbereitungsseminars der angehenden Auslandsfreiwilligen von Don Bosco Volunteers. Die 23 jungen Männer und Frauen werden Anfang September ein Jahr lang weltweit in Don Bosco Einrichtungen als Freiwillige helfen und arbeiten.

Wie viel Nähe ist zu viel, wenn ein Kind abends noch kuscheln möchte? Und wie viel Distanz braucht man selber, um sich abzugrenzen von den Schicksalen? Was ist professionelles Verhalten? Zu den Herausforderungen in der Pädagogik kommen die kulturellen Unterschiede. In Lateinamerika ist enger Körperkontakt unter Freunden selbstverständlich, in Indien gilt er in der Öffentlichkeit zwischen Männern und Frauen als unschicklich.

Zum Einstieg haben die Teilnehmer Arbeitsaufträge bekommen und laufen als Besucher eines fiktiven Wochenmarktes durch den Raum. Verena soll jedem Gesprächspartner ungefragt etwas Bewegendes aus ihrem Leben erzählen, Tim hingegen muss sich immer wegdrehen, wenn ihn jemand anspricht. Und Francis legt jedem die Hand auf die Schulter. Nach einer Weile reflektieren sie gemeinsam.

Mit jemandem sprechen, der sich permanent abwendet oder auf den Boden schaut – das fühlt sich komisch an. Schnell knüpfen die Volontäre an den Vormittag an. Da haben sie gemeinsam mit Referent Wolfgang Kirchner und vier ehrenamtlichen Trainern über Rollen und Rollenkonflikte gesprochen. In ihrer Erzieherrolle müssen die angehenden Volunteers lernen, wie viel Distanz sie brauchen, um sich durchzusetzen. Ein Widerspruch zu anderen Rollen als große Schwester, Vertraute und Spielkameradin.

Die Trainer berichten von eigenen Erfahrungen. Als Volontär ist man zwischendurch auch mal sehr einsam. Dem eigenen Bedürfnis nach Nähe stehen handfeste Regeln gegenüber. Intime Beziehungen zu Mitarbeitern und Jugendlichen im Projekt sind verboten. „Werde ich nach einem Kuss sofort nach Hause geschickt?“, will Clara wissen. Eine Antwort gibt sich die Gruppe selber, indem sie sich zu verschiedenen Fragen vor oder hinter einer roten Linie positioniert. Und Wolfgang Kirchner fasst zusammen: „In einem Freiwilligendienst lernen sich die jungen Menschen so kennen, wie sie sich noch nie erlebt haben. Wir bereiten sie darauf vor, die Chancen und Risiken von Nähe und Distanz zu kennen, damit sie in ihren vielfältigen Rollen verantwortungsvoll handeln.“

Text: Ulla Fricke