Jugendhilfezentrum in Sannerz – Respekt muss man üben
Sannerz - Konzentriert schleift Timo* (12) über das Holz. Er arbeitet an einer kleinen Spielzeugkegelbahn. Über der Werkbank in der Förderwerkstatt in Sannerz hängt ein rundes Schild mit drei Buchstaben darauf in jeweils roter, blauer und gelber Farbe: R, A und D. Das R steht für Respekt, A für Aufmerksamkeit und D für Disziplin. Die Begriffe finden sich auch ausgeschrieben überall auf großen und kleinen Schildern in der Werkstatt. RAD ist ein pädagogisches Konzept, das in Sannerz seit 21 Jahren zur Prävention von Mobbing und Gewalt und für ein gelingendes Leben der anvertrauten jungen Menschen angewandt wird.
„Respekt muss man üben. Das bedeutet, dass man anderen hilft“, erklärt Timo. Anleiter Peter Thomé führt das präventive Prinzip weiter aus. Respekt, Aufmerksamkeit und Disziplin seien gleichermaßen wichtig und bauten aufeinander auf. „Wenn eines dieser Teile fehlt, dann bleibt das Rad stehen“, erklärt er. Respekt gelte jedem, „egal, ob fünf, 15 oder 85 Jahre alt“. Und auch sich selbst gegenüber. Aufmerksamkeit bedeute, dass die Jungen sich selbst Ziele setzen. Diese sollen positiv sein und realistisch, ehrlich und erreichbar, wie: „Ich stehe pünktlich auf.“ Aber auch etwa bei Streitereien: „Ich mache das nicht, ich gehe jetzt aus der Situation heraus.“ Disziplin heiße, es immer wieder zu versuchen und durchzuhalten.
Auch das neue Element „Boxenstopp“ passt in das RAD. Jeden Dienstag können die Teilnehmenden hier etwa mitreden, wie das Zusammenleben angenehmer werden kann – etwa besondere Ruheorte für die Älteren zu schaffen. Sie können kritische Situationen nachspielen oder Vertrauensspiele machen. Eine Gruppe Jugendlicher nimmt ein Metermaß in die Hand. Gemeinsam sollen sie es auf den Boden bringen. Gar nicht so einfach, wenn man nicht zusammenarbeitet.
„Wir haben das RAD nicht neu erfunden“, sagt Thomé. Es stamme aus dem Coolnesstraining, das gewaltbereite junge Menschen trainieren soll, besser Verstand als Faust zu nutzen. Jeder Junge und Mitarbeitende werde in Sannerz von Beginn an mit RAD vertraut gemacht. Und die Beharrlichkeit, RAD einzufordern, sei wichtig. „Wenn einer sagt: ‚Du Missgeburt‘, da muss ich reagieren.“ Oft käme es aber vor, dass die Jungen gegenseitig einschritten. „Das ist nicht richtig“, sagen sie dann. Und Thomé lobt: „Das hast du richtig erkannt.“
RAD werde sowohl von Mitarbeitenden als auch Jugendlichen verinnerlicht. „Es gehört überall hin, es ist Empowerment“, sagt Thomé. Wichtig sind dabei: Offenheit, Transparenz und Begegnung auf Augenhöhe.
*Name von der Redaktion geändert
Text: Christine Wendel