Sozialpädagogische Wohngruppe Amanda – Wir schützen uns gegenseitig!

Veröffentlicht am: 1. September 2019

Stams - Jeden Morgen um sieben Uhr kommen die Mädchen aus der Wohngruppe Amanda für einige Minuten im Gruppenraum zusammen. Sie sitzen im Kreis auf dem Boden und stimmen sich auf den Tag ein. Auf dem Teppich in der Mitte liegt eine Kette aus Karabinerhaken. Ein Zeichen dafür, dass jede Bewohnerin zählt, ein Zeichen für die Gemeinschaft.

Neun Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihren Familien leben können, sind in der sozialpädagogischen Wohngruppe des Don Bosco Hauses im kleinen Ort Stams in Tirol untergebracht. Mehrere der Mädchen haben, bevor sie in die Gruppe kamen, sexuelle Gewalt erlebt. Unter diesen Bedingungen die Kinder und Jugendlichen für das Thema zu sensibilisieren, ist nicht einfach. Aaron Latta, der die sozialpädagogischen Einrichtungen im Haus der Don Bosco Schwestern leitet, beschreibt, wie es trotzdem funktioniert.

Zwei Aspekte sind aus seiner Sicht entscheidend: Die Sensibilisierung beginnt im Team; die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reflektieren, wie sie mit Berührungen umgehen, leben einen angemessenen Umgang mit Nähe und Distanz vor. Und: Der Schlüssel zur Präventionsarbeit ist eine gute Beziehung zwischen Kindern und Betreuern.

Mädchen von hinten auf einem Teppich mit Karabinerhaken und Laterne

Mädchen im Gruppenraum der Wohngruppe
Amanda in Stams. Die Karabinerhaken sind
ein Symbol für die Gemeinschaft in der Gruppe.

In den monatlichen WG-Konferenzen kommen Themen wie Gewalt und Missbrauch regelmäßig zur Sprache. Im Gruppenalltag setzen die Betreuerinnen und Betreuer auf eine gute Vertrauensbasis mit ihren Schützlingen. Sie stellen Informationen zur Verfügung, helfen den Mädchen, ihr Selbstwertgefühl zu stärken, und halten generell Augen und Ohren offen für deren Anliegen.

Das wichtigste Instrument, um mit den Mädchen an dem Thema zu arbeiten, sind die sogenannten Notfallpläne, die Latta und sein Team entwickelt haben. Jedes Mädchen hat einen persönlichen Plan, auf dem Auslöser für Gewalt gegen sich und andere, der Umgang mit Gefühlen, mögliche Gefahrensituationen sowie Hilfsmöglichkeiten schriftlich festgehalten sind. In der WG hängt ein Papier, das ähnliche Aspekte für die Gruppe definiert. Ein weiterer Notfallplan gibt den Mitarbeitern klare Handlungsanweisungen, wie bei Verdacht oder erfolgter Gewalt vorzugehen ist.

Das Konzept scheint aufzugehen. „Du musst selber Mut haben in dir“, sagt ein Mädchen, während es an dem langen, hölzernen Esstisch im offenen Wohnbereich der WG zu Mittag isst. „Wir schützen und stärken uns gegenseitig in der Gruppe“, erklärt eine 16-Jährige. „Wir wissen, dass jemand hinter uns steht, dass wir nicht alleine sind, dass wir uns sicher fühlen können.“

Text und Foto: Christina Tangerding