Provinzkapitel: Salesianer Don Boscos stellen Weichen für die Zukunft
München/Benediktbeuern – Die Salesianer Don Boscos haben vom 6. bis 10. Juni 2022 ihr Provinzkapitel im oberbayerischen Kloster Benediktbeuern durchgeführt. Schwerpunkte der gemeinsamen Überlegungen waren die Reflexion der Situation der Ordensprovinz sowie das Ausrichten ihres Engagements für junge Menschen in Deutschland. Neben der Sendung zur Jugend in den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern beschäftigten sich die 50 Kapitulare mit dem Stand der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und von Misshandlungen, den wirtschaftlichen Herausforderungen und den für ihre Arbeit notwendigen Strukturen und Rahmenbedingungen sowie mit aktuellen Fragen des heutigen Ordenslebens. Auch die Situation der Katholischen Kirche in Deutschland und der Stand des Synodalen Wegs standen auf der Tagesordnung.
Nachhaltigkeitsleitlinien verabschiedet
Mit Abschluss des Kapitels sprachen sich die Kapitulare u.a. für die Einführung von Leitlinien aus, die eine besondere Verantwortung für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz sowie den Erhalt der Lebensgrundlagen nachfolgender Generationen vorsehen. Unter dem Titel „Jugend braucht eine nachhaltige Entwicklung“ konkretisieren die Salesianer Don Boscos damit ihre bereits 2019 verabschiedete Selbstverpflichtungserklärung, sich in der Begleitung junger Menschen für eine gerechtere Welt und für die Bewahrung der Schöpfung zu engagieren.
„Viele junge Menschen sind mit Recht für das Thema sensibilisiert. Wir sind bereit, diesem Aufruf zu folgen, und übernehmen Verantwortung für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz sowie den Erhalt der Lebensgrundlagen nachfolgender Generationen. Dabei nutzen und fördern wir regionale, nationale und weltweite Netzwerke sowie die Beteiligung junger Menschen an Kampagnen zugunsten der Nachhaltigkeit in Umwelt- und Zukunftsfragen“, heißt es in dem mehrseitigen Kapitelsdokument.
Ein Teilziel auf dem Weg zu einer schöpfungsgerechten Lebens- und Wirtschaftsweise bildet dabei der Beschluss, noch vor dem Jahr 2032 zu 100 Prozent erneuerbare Energien in der deutschen Ordensprovinz zu nutzen. „Wir müssen uns verändern. Wir müssen uns alle ökologisch bilden und nachhaltig leben. Wir müssen selbst eine Grundhaltung der Liebe zur Schöpfung entwickeln. Denn das ist auch Ausdruck unserer christlichen Nächstenliebe zu den jungen Menschen – sonst wären wir als pädagogisch ausgerichtete Ordensgemeinschaft unglaubwürdig“, fasste der Provinzial der Deutschen Provinz der Salesianer Don Boscos, Pater Reinhard Gesing SDB (59), zusammen.
Leitungsstrukturen reflektiert
Bereits zum vierten Mal nach 2013, 2016 und 2019 nahmen neben den 50 Ordensmitgliedern auch zwei Tage lang rund 30 leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ordenseinrichtungen in Deutschland sowie Vertreter/innen der Don-Bosco-Familie am Provinzkapitel teil. Ein zentrales Anliegen bildete bei den gemeinsamen Beratungen die Frage nach einer künftigen Leitungsstruktur, die trotz der zurückgehenden Anzahl an Ordensmitgliedern und einer weiteren Konzentration der Ordensniederlassungen das Don-Bosco-Werk in Deutschland in der Zukunft sichert.
„Wir möchten nicht irgendein Anbieter von Jugendarbeit oder Erziehungshilfe am Markt sein, sondern mit einem erkennbaren Profil und lebendiger salesianischer Identität das Don-Bosco-Werk in die Zukunft führen. Dabei vertrauen wir auch auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine hohe Mitverantwortung in den Einrichtungen tragen“, so Gesing.
Sehr bewegt und mit hoher Betroffenheit reflektierten die Delegierten auch den Stand der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und von Misshandlungen in den salesianischen Einrichtungen. Neben der Etablierung von Maßnahmen zur Sensibilisierung durch Prävention bemüht sich die Ordensgemeinschaft seit 2010 um die Aufarbeitung der dunklen Seite ihrer Geschichte. Im Jahr 2021 sind die Salesianer Don Boscos dem weiterentwickelten Verfahren der „Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen“ („UKA-Verfahren“) der Deutschen Bischofskonferenz beigetreten.
Aufarbeitung mittels „historischer Rekonstruktion"
Die Kapitulare bekräftigten alle Maßnahmen, die das Leid der Betroffenen anerkennen und ihnen Wege zur Aufarbeitung ermöglichen. Um diesen Prozess konsequent fortzuführen, unterstützten sie einhellig den Vorschlag einer „historischen Rekonstruktion“. Dieser Ansatz soll den Blick auf die systemischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte weiten, in denen Versagen, mangelndes Problembewusstsein oder schuldhaftes Wegsehen und Strafvereitelung (vor allem in den 50-, 60- und 70-iger Jahren) stattgefunden hatten. Dabei ist beabsichtigt, die Aufarbeitung von fachkompetenten, externen Stellen begleiten zu lassen.
„Um von Missbrauch Betroffene ernst zu nehmen, aus den Fehlern der Vergangenheit und Gegenwart zu lernen, Umstände zu begreifen, die zu solchem Handeln geführt haben und ein System weiterzuentwickeln, das durch Prävention und Achtsamkeit geprägt ist, ist eine solche Aufarbeitung für uns verpflichtend“, erklärte Provinzial P. Reinhard Gesing.
Deutlich wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Kapitulare den vom Synodalen Weg initiierten Prozess der Erneuerung in der Katholischen Kirche in Deutschland unterstützen. „Wir verfolgen die Beratungen aufmerksam und werden die Inhalte auf unsere Sendung und unser Ordensleben hin reflektieren und, soweit sie für uns relevant und passend sind, auf unsere Situation übertragen“, stellte Gesing im Namen aller Kapitulare fest. Dies gelte z.B. im Hinblick auf die von der letzten Versammlung des Synodalen Wegs gewünschte Erneuerung der kirchlichen Grundordnung. „Zugleich wissen wir uns aber auch als Glied einer weltweit wirkenden Ordensgemeinschaft und der Weltkirche, die sich durch eine sehr große Vielfalt auszeichnet. Beides gehört zu unserer DNA. Die dadurch entstehende Spannung sehen wir als Chance an. Wir sind uns bewusst, dass wir aktiv danach suchen müssen, und vertrauen darauf, dass der Herr uns den Weg weisen wird, wie wir diese Spannung einer Einheit in Vielheit leben und umsetzen können.“
Vielfalt sexuellen Lebens anerkennen
Im Vorfeld des Kapitels hatten auch junge Menschen aus den Einrichtungen Wünsche und Hoffnungen den Ordensleuten und Mitarbeitenden mit auf den Weg gegeben. Die Kapitulare waren sich einig, dass Partizipation junger Menschen ein Wesensbestandteil ihrer Arbeit ist. Mit Sorge greifen sie die Anliegen vieler junger Menschen auf, die sich unterschiedlichen psychischen Belastungen – nicht nur in Folge der Corona-Pandemie – ausgesetzt sehen.
Wichtig sei zudem, die Vielfalt sexuellen Lebens anzuerkennen und allen jungen Menschen in ihrer ganzheitlichen Entwicklung beizustehen. „Wir wollen, dass die uns anvertrauten jungen Menschen glücklich werden. Es ist deshalb notwendig, vor dem Hintergrund aktueller humanwissenschaftlicher Erkenntnisse und pastoraltheologischer Reflexionen die gängige sexualpädagogische Praxis in unseren Einrichtungen zu reflektieren und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entsprechend zeitgemäße Leitlinien an die Hand zu geben“, brachte der Provinzial zum Ausdruck.
Das Provinzkapitel ist die repräsentative Versammlung der Salesianer Don Boscos in Deutschland, die – gemeinsam mit Niederlassungen in Beromünster (Schweiz) und in Istanbul (Türkei) – eine eigene Ordensprovinz bilden. Es findet in der Regel alle drei Jahre statt. Neben Berichten und Beratungen werden strategische Entscheidungen für die Zukunft getroffen, Dokumente und Richtlinien überarbeitet und über sie abgestimmt.
RefÖA/kh - aktualisierte Fassung vom 13.06.2022