25 Jahre Hilfe für sexuell deviante Jugendliche

Veröffentlicht am: 9. Oktober 2023

Welschbillig-Helenenberg - Die Jubiläumsveranstaltung hatte gleich zwei Höhepunkte. Zum einen gab es eine Fachveranstaltung, die sich dem Thema „sexueller Missbrauch“ von wissenschaftlicher und therapeutischer Seite genähert hat. Aber es gab auch eine Einweihung: In den letzten etwa 18 Monaten haben die Salesianer Don Boscos, Träger des Jugendhilfezentrums Don Bosco Helenenberg, rund zweieinhalb  Millionen Euro in neue Gruppen- und Therapieräume sowie in Appartements der Jugendlichen investiert. Mit im Boot saßen Förderer des Jugendhilfezentrums: die Nikolaus-Koch-Stiftung und die Reh-Stiftung, ohne deren Hilfe der Ausbau nicht möglich gewesen wäre.

Helenenberg-Einrichtungsleiter Benedikt Quack hatte in seiner Ansprache konstatiert: „Pinardi ist ein Leuchtturm.“ Bis heute sind Angebote für „sexuell deviante“ Jugendliche rar gesät – „Wer, wenn nicht wir, soll sich um sie kümmern?“ Quack hat deutlich gemacht: „Wir verurteilen die Tat, nicht die Täter. Und wir helfen ihnen.“ Hilfe, die Opferschutz bedeutet. Quack erinnerte daran: „Im Pinardihaus leben junge Menschen, die Wünsche und Hoffnungen haben wie alle anderen Jugendlichen, die aber gleichzeitig wissen, dass sie abgeurteilt werden und niemand etwas mit ihnen zu tun haben will.“

Wir haben ein hochaktuelles Thema

„Wir haben heute hier ein Thema, mit dem viele nichts zu tun haben möchte, doch es ist hochaktuell“, stellte Pater Reinhard Gesing vor den rund 75 Gästen fest. Ein Publikum, das sich aus psychologischen und pädagogischen Fachleuten einerseits und Vertretern von Jugendämtern, Politik und Sponsoren andererseits zusammensetzte. Gesing ist Provinzial der Salesianer Don Boscos. Er erinnerte an die Entstehungsgeschichte der Gruppe Pinardi: „Es gab damals keinen Ort, an den Jungen, die sexuell grenzverletzendes Verhalten gezeigt hatten, geschickt werden konnten.“ In ganz Deutschland nicht. „Nach vielen Reflexionen, der Einbeziehung vieler Experten und viel Arbeit war das Pilotprojekt ‚Pinardihaus‘ geboren. Ein großes Projekt, zu dem viel Überzeugungsarbeit geleistet werden musste“, erklärte Gesing.  Er richtete seine Worte vor allem an die, die täglich in der Gruppe arbeiten: „Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hier hochkompetente Arbeit leisten.“

Der Pater: „Hier leben junge Menschen, die etwas getan haben, was nicht in Ordnung ist, was niemand in Ordnung findet und was niemand in Ordnung finden kann!“ – „Doch es bleiben junge Menschen, denen man helfen muss, den guten Kern in sich selbst zu finden, diesen guten Kern herauszuarbeiten und zu fördern.“ Der Salesianer-Provinzial brachte es auf den Punkt: „Arbeit mit Tätern ist Präventionsarbeit.“

Nach Gesing hatten die Fachreferenten das Wort. Zunächst Harald Conrad – der Sozialpädagoge ist Sexualtherapeut und Konflikttrainer bei der Beratungsstelle „Neue Wege Saar“. Er sprach über Therapien und Diagnostik, stellte die Gefahren des unter jungen Menschen stark verbreiteten Pornokonsums heraus und bemerkte: „Heute werden ‚Sexting‘ und der Austausch von selbst produzierten erotischen/pornographischen Fotos von 65 Prozent der 12- bis 17-Jährigen als ‚normal‘ empfunden.“ Und er erinnerte an einen Fall, der das Saarland bis heute beschäftigt: Der des kleinen Pascal, der im Herbst 2001 spurlos im Umfeld der Saarbrücker „Tosa Klause“ verschwunden war.

Eine Bleibe für die Jugendlichen

Zweite Referentin war Christine Delker. Sie ist psychologische Psychotherapeutin in der Psychotherapeutischen Ambulanz der Justiz (PAJu) in Trier. Sie berichtete über die Forensische Nachsorge. Klares Ziel der Nachsorgebetreuung: Die Rückfallwahrscheinlichkeit der Täter zu reduzieren. Delker hielt fest: „Männer, die in jungen Jahren sexuell übergriffig werden, tragen ein erhöhtes Risiko für weitere sexuelle Übergriffe in sich.“ – „Die Forschung zeigt auf, dass Sexualstraftäter mit einem hohen Rückfallrisiko intensive therapeutische Interventionen brauchen. Diese zeigen hier aber auch besonders viel Wirkung.“ Ihr Plädoyer: „Es lohnt sich, möglichst früh und intensiv in die Behandlung zu investieren.“

Der „Helenenberg“ ließ die Jungs selbst zu Wort kommen. Per Video. Vier nicht zu erkennende junge Männer gaben Antworten. Eine davon: „Was waren für Dich bisher therapeutisch wichtige Schritte?“ Eine Antwort darauf war unumwunden direkt: „Dass ich nach einem Einzelgespräch eine Selbstanzeige gemacht habe, damit man sieht, dass ich Verantwortung übernehme.“

Danach stellte das Team des Jugendhilfezentrums die neuen Räume der Pinardi-Gruppe und die Arbeit, die im Jugendhilfezentrum geleistet wird, vor. Pater Gesing segnete die Räume, in denen einst Salesianer lebten, und stellte fest: „Als Don Bosco sich im 19. Jahrhundert in Turin um Jungen kümmerte, die niemand haben wollte, die von allen fortgeschickt wurden, weil sie aus dem Gefängnis kamen, suchte er nach einer Bleibe für sie. Doch überall, wo die Gruppe ankam, musste sie wieder gehen, bis Familie Pinardi Johannes Bosco ihr Haus zur Verfügung stellte. Auch im heutigen Helenenberger ‚Pinardi-Haus‘ kümmert man sich um junge Menschen, mit denen die meisten nichts zu tun haben wollen, die aber genauso wie alle anderen Jugendlichen Annahme und Unterstützung sowie hilfreiche Strukturen brauchen, wenn sie zu einem gelingenden Leben finden sollen.“

Text: Thomas Hoffmann/RefÖA; Foto: Don Bosco Archiv

Bild: Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg, Referent Harald Conrad, Referentin Christine Delker, Helenenberg-Einrichtungsleiter Benedikt Quack, der Pädagogische Leiter des Jugendhilfezentrums Helenenberg, Michael Schneider, und Pater Reinhard Gesing, Provinzial der Salesianer Don Boscos (v.l.n.r.).