Sachsen: Wie alles begann
Zu dem Zeitpunkt, als die Mauer fiel, war Pater Johannes Schoch gerade beim Generalkapitel der Salesianer in Rom. Damals hat der Generalobere beim Abendessen die Vertreter aus den beiden deutschen Provinzen – damals noch in Süd- und Nordprovinz aufgeteilt – mit einer Frage konfrontiert: „Was gedenkt ihr im Osten zu tun?“ Dabei schaute der Generalobere zunächst einmal in fragende Gesichter.
An diese Szene erinnert sich Pater Johannes Schoch, der zu dieser Zeit Direktor des Berufsbildungswerk Aschau am Inn war, noch ziemlich gut. „Danach habe ich mich zum Sprecher gemacht.“ Gemeinsam mit Bruder Reinhold Kurtz fasste er den Beschluss, nach Sachsen zu gehen. Gerade die Freundschaft zu dem aus dem Osten stammenden Reinhold Kurtz machte den Plan auch für Pater Schoch zu einem Herzensanliegen.
„Sie wussten nicht, wer Salesianer sind“
Die ersten Jahre waren jedoch eine Herausforderung. In Sachsen wurden die Mitbrüder nicht gerade mit offenen Armen empfangen. „Die wussten nicht, wer Salesianer sind, wer Don Bosco ist und wussten natürlich auch nicht, was wir wollen.“ Selbst in katholischen Kreisen begegnete man ihnen mit einer gewissen Kühle und Skepsis, so beschreibt es der Pater. Gerade der Gedanke, dass Priester sich mit der Jugend beschäftigen, sei den Menschen dort fremd gewesen. „Da war zunächst keine große Begeisterung.“
Geradezu abenteuerlich hat Pater Johannes Schoch auch die Suche nach einem geeigneten Grundstück in Erinnerung. Das große Problem war, dass viele Gebäude noch Eigentum des Staates waren. Glücklicherweise stießen die Salesianer schließlich auf eine ehemalige Strumpffabrik in Dittersdorf, am Rande des Erzgebirges, die schon reprivatisiert war. Diese haben sie dann erst einmal umgebaut und hergerichtet. „Und dann haben wir losgelegt.“ Im Mai 1992 begannen die Arbeiten an dem Gebäude. Im November 1992 fand dann die Eröffnungsfeier mit dem Provinzial Pater Bihlmayer statt.
Die Anfänge der Jugend-Werk Sachsen GmbH
Doch bald darauf wurde den Salesianern klar, dass das Grundstück in Dittersdorf zu klein für die großangelegte Arbeit mit behinderten Jugendlichen war. Auf der Suche nach einem geeigneten Objekt in Chemnitz kam ein Angebot von den Erben einer ehemaligen Trikotagenfabrik, die sich in Burgstädt befand. Das Angebot nahmen die Salesianer schließlich an und im März 1993 begannen Maler und Maurer mit der Sanierung des Hauses. Auch die hauseigenen Auszubildenden packten mit an: Es wurde entkernt, geräumt, gesäubert.
Im September 1993 starteten schließlich die ersten Förderlehrgänge sowie die Ausbildung in den Bereichen Bau, Maler, Küche. Doch auch mit den beiden Standorten Dittersdorf und Burgstädt fehlte der notwendige Raum, damit sich die berufliche Rehabilitation vor Ort entfalten konnte. 2004 kam es deswegen zur Schließung der Einrichtung in Dittersdorf und zum Umzug in die Nachbargemeinde nach Hartmannsdorf. Dort hatte die Jugend-Werk Sachsen GmbH 2003 das Gebäude einer alten Färberei übernommen und sie nach dem Vorbild der Einrichtung in Burgstädt umgebaut.
Video: Die Entwicklung des Jugend-Werks
Don Bosco als Medium
Gerade für jemanden aus dem katholischen Bayern war die Situation vor Ort natürlich ungewohnt, wie Pater Johannes Schoch einräumt. Da die Menschen dort nicht kirchlich sozialisiert worden waren, konnte der Salesianer nicht groß als Pfarrer auftreten. „Das kannten sie nicht.“ An dieser Stelle hat sich die Person Don Boscos laut Pater Schoch als hilfreiches Medium erwiesen, um das „Christliche“ hineinzubringen. „Don Bosco war ein gutes Mittel, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.“
Auch in der Pädagogik machte sich die unterschiedliche Sozialisation bemerkbar, wie Pater Schoch erzählt. „Das Autoritäre war dort stärker ausgeprägt.“ Mit der Zeit habe sich das aber eingependelt. Als Herausforderung erwies sich auch die Suche nach geeignetem Personal. „Wir haben versucht, das Personal möglichst von drüben zu nehmen.“ Klar war für die Mitbrüder jedoch auch, dass sie keine ehemaligen Parteifunktionäre einstellen würden.
„Sie waren vital und wach – die haben einfach gemacht.“
Positiv überrascht hat den Salesianer jedoch vor allem die Begeisterung, mit der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort angepackt haben. Sie hätten voll und ganz hinter der Idee und Pädagogik Don Boscos gestanden. „Sie waren vital und wach – die haben einfach gemacht“, betont Pater Johannes Schoch.
Zwar war der Salesianer bis 2012 Geschäftsführer der Jugend-Werk Sachsen GmbH, doch sein Wohnsitz blieb in Aschau am Inn. In Sachsen vertreten wurde er während dieser Zeit von Bruder Reinhold Kurtz. Den mittlerweile verstorbenen Bruder beschreibt der Salesianer als sehr charaktervollen Menschen, der nicht nur die Entwicklung des Berufsbildungswerkes entscheidend vorangebracht hat, sondern auch für die Menschen eine Inspiration war. „Sie haben ihn verehrt.“
Noch heute arbeiten die Salesianer an den Standorten Burgstädt und Hartmannsdorf mit behinderten Jugendlichen und setzen sich erfolgreich für ihre berufliche und gesellschaftliche Rehabilitation ein.
Text: RefÖA/Patrizia Czajor, Fotos: Don Bosco Jugend-Werk Sachsen gGmbH